Viele Mutmaßungen, wenig Konkretes

Wer den Beitrag von Markus Frenzel zum Thema „Chinas Geheimes Netz in Deutschland“ im RTL-Nachtjournal am 5. Oktober 2024 gesehen hat https://plus.rtl.de/video-tv/shows/rtl-aktuell-spezial-177848/2024-10-1012054/episode-108-rtl-nachtjournal-spezial-chinas-geheimes-netz-in-deutschland-1012266, wird sein Buch mit Vorsicht lesen. Denn der Beitrag startet wie ein Tiger, um dann wie ein Bettvorleger zu landen. Am Ende blieben viele Vermutungen, aber wenig Beweise.

Frenzel bescheinigt im Resümee seines Filmes sogar den meisten in Deutschland lebenden Auslandschinesen, „ungefährlich“ , viele „sogar sympathisch“- Auch das könne natürlich, eine „Methode“ sein, um Vertrauen zu gewinnen.

Die Menschen chinesischer Herkunft, die er untersuchte, stehen auf einer ominösen Liste der „Einheitsfront“, die spektakulär geleakt wurde. Sie sollen laut Frenzels Definition nicht als klassische Spione arbeiten, sondern als Einflussagenten, Menschen, die gute Stimmung für China machen sollen.

Das Buch von Frenzel umfasst fast 376 Seiten und enthält einen Anmerkungsapparat, was auf wissenschaftliches Arbeiten schließen lässt. Der Klappentext ist jedoch stark meinungslastig: „Peking will die Welt brutal an seinen Interessenausrichten und nach chinesischem Vorbild in eine große Diktatur ausweiten. “ Weiter heißt es: „Auch in Deutschland arbeitet ein geheimes Netzwerk im Verborgenen daran und ist schon weit gekommen… auch weil die Politik wegschaut“. Diese Aussagen schwören Gefahren herauf und betonen die Bedeutung von Investigativ-Journalisten wie Frenzel, der in seinem „Enthüllungsbuch“ schonungslos, so der Klappentext, die Hintermänner enttarnt.

Man kann Frenzel nicht vorwerfen, dass sein Buch schlecht geschrieben oder langweilig ist. Im Gegenteil, es liest sich spannend. Doch der Gesamteindruck ähnelt dem des RTL-Beitrags: Die Bemühungen stehen in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen, wenig belastbaren  Ergebnissen. Dies wird im zentralen Kapitel über die geleakte Liste deutlich. Diese Liste, die einem „mysteriösen Datendieb“ zu verdanken ist, enthält 46 Namen für Deutschland und insgesamt 2000 Namen aus vielenLändern. Seit Juli 2021 ist sie in der Welt, die Liste der Unterstützer der Einheitsfront der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Das bedeutet viel Arbeit für Frenzel, denn in der Datei tauchten 46 Namen für Deutschland auf. Insgesamt standen 2000 Namen aus vielen Dutzend Ländern auf der Liste, eine internationale Recherche-Kooperation inklusive Frenzel machte sich an die Arbeit, nachdem die Echtheit des Dokuments geklärt war. Der Rechercheaufwand steht in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Ergebnissen. 

Ein Beispiel ist eine Journalistin, die warum auch immer auf der Liste steht und von Frenzel schriftlich befragt wurde. Frenzel gibt ehrlich zu, dass seine Recherche keinen klaren Befund brachte.n Im Gegenteil: Der Fall der Journalistin zeige, wie schwierig die Beurteilung der Aktivitäten der Personen auf der Liste ist und dass es verschiedene Gründe geben kann, warum die Einheitsfront Landsleute als Verbündete ansieht. Frenzel zitiert die vermeintlichen Verdächtigen mit Namen und Wohnort, ohne Rücksicht auf mögliche Folgen für die Betroffenen.

Eine weniger reißerische Aufmachung und eine differenziertere Betrachtung im Kapitel „Die geleakte Liste“ hätten dem Buch gut getan, genauso wie ein Personenregister.
Die anderen drei Kapitel des Buches gelingen weitaus besser als „Die geleakte Liste“. Frenzel zitiert überwiegend aus freizugänglichem Material. Er beleuchtet fakten- und facettenreich die engen Beziehungen deutscher Politiker verschiedener Parteien – von AfD über CSU und SPD bis zur AfD – zu China. Die Verhaftung eines chinesischen Mitarbeiters im Büro des AfD-EU-Abgeordneten Maximilian Krah wegen Spionageverdachts scheint da nur die Spitze eines Eisbergs zu sein. Bundesweit bekannt wurden die Versuche in Frankfurt, mit einem chinesischen OB-Kandidaten Lokalpolitik „made in China“ zu betreiben. Frank Biermann

Markus Frenzel, China Leaks. Pekings geheimes Netzwerk in Deutschland . C.H. Beck

Veröffentlicht von Frank Biermann

Journalist und Autor

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