„We are family“

Die VG BildKunst scheut Kosten für Hybridversammlungen , was mehr Geld für Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder keineswegs ausschließt

Auf der Mitgliederversammlung der VG Bild-Kunst in Bonn fanden Ende Juli 2022 die alle drei Jahre anstehenden Vorstandswahlen statt. 

8. AUGUST 2022 VON FRANK BIERMANN

Aus der Berufsgruppe 1 (Bildende Künstler) wurde Marcel Noack in den siebenköpfigen Vorstand gewählt, Frank Michael Zeidler zum Berufsgruppenvorsitzenden. Die Berufsgruppe III (Regisseure, Kameraleute, Editor, Filmarchitekten/ Szenenbildner, Kostümbildner, Trickfilmzeichner und Produzenten) wird weiter durch Jobst Oetzmann im Vorstand vertreten, der sich klar gegen Cay Wesnigk durchsetzte, Vorsitzender für die nächsten drei Jahre ist Michael Chauvistré.

Für die mit 57,8 Prozent der Mitglieder weitaus größte Berufsgruppe II (Fotografen, Bildjournalisten, Grafiker, Illustratoren, Designer, Karikaturisten, Pressezeichner, Bildagenturen) sitzt Lutz Fischmann (Freelens) im Vorstand. Bei der Wahl zum Berufsfachgruppenvorsitzenden hatte sich Roland Geisheimer (ebenfalls Freelens) durchsetzen können. Benno Pöppelmann vom DJV hatte dazu jedoch angemerkt, dass es lange Zeit so praktiziert wurde, dass ehrenamtlicher Vorstand und Berufsgruppenvorsitzende nicht demselben Verband angehören. Dies ist inzwischen auch in der Berufsgruppe III (Film) nicht mehr der Fall. 

Auf Vorschlag des Verwaltungsrats wurde auf der Versammlung eine neue „Richtlinie Vergütung Ehrenamt“ verabschiedet. Die monatliche Aufwandsentschädigung der Vorstände wurden von bislang 625 Euro auf 730 Euro angehoben, die Sitzungsgelder für die Verwaltungsräte und neuerdings auch deren Stellvertreter*innen von 300 auf 350 Euro erhöht.

Die Entscheidungen über die Gremienposten waren schon am 27. April in allen  Berufsgruppen gefallen und konnten auch durch die eigentlich ja formal höher als höchstes demokratisches Organ anzusiedelnde Mitgliederversammlung nicht korrigiert werden. Pappi schreibt dazu in seinen Erläuterungen zur Tagesordnung: „Die Wahlen verlaufen (in diesem Wahljahr) in zwei Stufen. Zunächst werden in den Berufsgruppenversammmlungen die Kandidat*innen gewählt. – dies hat bereits am 27. April stattgefunden“. Was Pappi nicht schreibt: Eigentlich wurden die Personalentscheidungen am Vorabend also am 26. April getroffen, wenn in trauter aber keineswegs immer freundlicher Runde die ehrenamtlichen Funktionär*innen im Hotel Hilton am Rheinufer zusammenkommen, die die (warum auch immer, auch das wird im Vorfeld nicht demokratisch geklärt) Stimmpakete der Verbände verteilen dürfen. Diese Stimmpakte ergeben sich dadurch, dass die Mitglieder im Vorfeld ihren Berufsverbänden diese übertragen haben – oder eben nicht. Das geht von 1417 Stimmen für  Freelens  über 810 Stimmen für den wesentlich größeren DJV hin zu 441 Stimmen für den Deutschen Künstlerbund und 432 Stimmen für die verdi Fachgruppe Journalismus, die – anders als Freelens – nicht besonders gut darin ist, ihre Mitglieder zu einer Stimmrechtsübertragung zu bewegen. 

Wie dieser Kreis sich  die ausguckt, die die wichtigen und mit Aufwandsentschädigungen verbundenen Posten bekleiden, welche Kriterien dabei eine Rolle spielen, entzieht sich jeder demokratischen Kontrolle.  „We are family“. Und was in der Familie besprochen wird, bleibt in der Familie. Die wenigen einfachen Mitgliedern, die dann glauben mit ihrer Einzelstimme etwas ausrichten zu können, stellen im Laufe des Wahlprocederes fest: Jede Wahl wird durch die Stimmblöcke in die gewünschte Richtung gelenkt. Eine Art gelenkte Demokratie also. Das erzeugt Frust bei den unorganisierten Teilnehmern, die ihre teure Fahrkarte selber zahlen müssen.  Diese kommen  oft gleich zwei Mal zu einer solchen Versammlung. Zum ersten und zum letzten Mal.

Resultat der Geschichte: Bei diesen drei Versammlungen waren ausweislich der Teilnehmerlisten gerade einmal 62 von 67.475 Mitgliedern, also nicht einmal 1 Prozent persönlich anwesend. Diese verfügten allerdings durch die bei der VG Bild-Kunst praktizierten Stimmrechtsübertragungen über 11.245 gültig übertragene Stimmen, so dass sich knapp ein Sechstel der Mitglieder in diesen Entscheidungen wiederfinden könnten. Schwer nachvollziehbar, wie der promovierte Jurist Urban Pappi da „kein Defizit Repräsentativität“ erkennen kann, wohl wissend, dass da allenfalls noch eine sehr dünne demokratische Legitimation gegeben ist.

Noch weniger gibt es dann bei den eigentlichen Mitgliederversammlungen der VG BildKunst zu entscheiden, die reine „Abnickveranstaltungen“ sind, bei denen sich nicht mal die Kandidat*innen, die für ihre Berufsgruppe in den Vorstand wollen oder den Berufsgruppenvorsitz übernehmen wollen, kurz vorstellen. Das hat jedenfalls mit dem was man in Parteien und Sportvereinen unter einer lebendigen Jahreshauptversammlung versteht, nichts zu tun. Pappi erklärt dazu dies: „Bitte wundern Sie sich nicht, dass in der Mitgliederversammlung nur noch über einen festen Kreis an Bewerber*innen abgestimmt werden kann.“ Da wird die nur vorab mögliche und nicht parallel zur Versammlung mögliche elektronische Stimmabgabe zum demokratischen Hemmschuh. 

Demokratischer könnte es bei der VG BildKunst zugehen, wenn diese Veranstaltungen als Hybrid-Veranstaltung durchgeführt würden, wie das zum Beispiel die VG Wort praktiziert oder die taz Genossenschaftsversammlung, eine Versammlung, die per se auch nicht gerade im Geld schwimmt. Solche Vorschläge prallen an dem geschäftsführenden Vorstand Urban Pappi (Bild: Frank Biermann) ab. Im Sondernewsletter August 2022, also nach den Wahlen, schreibt er: „An die Geschäftsstelle wurde in letzter Zeit vermehrt die Frage gestellt, warum die Bild-Kunst keine hybriden Mitgliederversammlungen durchführt. Die kurze Antwort: Als kleine Gesellschaft müssen wir auf die Kosten schauen!“ Pappi und den anderen engagierten Menschen die haupt- und ehrenamtlich Verantwortung tragen möchte man ein klares „Mehr Demokratie wagen“ zurufen, sonst könnte schnell der Eindruck von Hinterzimmerpolitik, Pöstchenschieberei und Klüngel aufkommen. Und die Vermutung, dass die Demokratie gar nicht gewünscht ist, weil alle bisher Beteiligten mit der Oligarchie ganz gut gefahren sind. . 

P.S. Transparenzhinweis: Der Verfasser hat für drei Jahre dem inzwischen nicht mehr existenten Vergabeausschuß der Stiftung Sozialwerk in der Berufsgruppe 2 angehört. Er ist Mitglied der verdi Fachgruppe Journalismus. Im Wahljahr 2002 stand er bei der VG BildKunst für nichts zur Wahl.

Veröffentlicht von Frank Biermann

Journalist und Autor

Ein Kommentar zu “„We are family“

  1. Na, geht doch ausführlicher. Nun fehlt nur noch, dass alle Vertreter auch die Apanagen von mtl 730 bekommen sollen und, falls sie mal vertreten, auch die 350 noch dazu. Ehrenamt halt. Da möchte man nicht mehr außen vor stehen. Leider war der Wirtschaftsberater nicht dabei. Wenn man doch jetzt Rentrop pp nutzte.

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