Neue Preise im WestfalenTarif

Das 90-Minuten Ticket wird teurer

Die Stadtwerke Münster haben jetzt ihre Kunden darüber informiert, dass ab dem 1. August neue Preise im WestfalenTarif gelten. Dadurch würden auch die Tickets in der Stadt Münster um 5 Prozent teurer : Das 90 Minuten Ticket kostet ab dann 2,30 Euro, der Tagespreis steigt auf 5,20 Euro an. Gleichwohl soll das 90-Minuten Ticket das mit Abstand günstigste Angebot sein, für alle die den Nahverkehr in Münster nutzen, so die Stadtwerke Münster. Es soll sich um die erste Preiserhöhung seit fünf Jahren handeln.

Als Gründe für die Preiserhöhung werden die Mobilitätswende genannt, die große Investitionen erfordere und drastische Steigerungen bei den Personal-, Material-, und Energiekosten. Das betreffe den gesamten Nahverkehr, weshalb in den übrigen Verkehrsverbünden die Preisanhebungen sogar noch deutlich größer ausfielen. (fb)

Busfahren wird teurer. Foto: Stadtwerke Münster.

Ärztekammer: Gehle und Reinhardt kandidieren erneut

Die Mediziner Hans-Albert Gehle und Klaus Reinhardt haben angekündigt, erneut bei den anstehenden Wahlen im Herbst dieses Jahres für die Führung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) anzutreten. Dies gaben sie bei einem Pressegespräch in Münster bekannt. Gehle strebt eine zweite Amtszeit als Präsident an, während Reinhardt erneut als Vizepräsident für den Vorstand kandidiert. 

Die Wahl des neuen Vorstands ist für den 30. November geplant, bei der über 50.000 Ärzte im westfälisch-lippischen Landesteil zur Kammerwahl aufgerufen sind. Es ist derzeit nicht bekannt, ob sich weitere Kandidaten für die Wahl aufstellen lassen werden. Beide Kandidaten hoffen auf eine hohe Wahlbeteiligung und möchten auch junge Kollegen für die Arbeit in den Gremien der Kammer interessieren. 

Reinhardt kandidiert für den Hartmannbund, dessen Bundesvorsitzender er ist. Gehle wurde zehn Wochen vor Beginn der Wahl im Wahlkonvent des Marburger Bundes einstimmig als Spitzenkandidat gewählt. Der Facharzt für Anästhesiologie und Innere Medizin aus Bochum genießt laut einer Pressemitteilung des Marburger Bundes hohes Ansehen bei allen Ärzten in Westfalen-Lippe. 

Gehle ist leitender Intensivmediziner an einer Klinik in Gelsenkirchen, während Reinhardt als Hausarzt mit eigener Praxis in Bielefeld tätig ist. Reinhardt ist auch der amtierende Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages. 

Obwohl Reinhardt betonte, dass sie sich gut verstehen und deshalb in dieser Konstellation weitermachen möchten, gab es in den vergangenen Jahren auch Konflikte zwischen den beiden. So wurde bei der Frage nach der Zukunft der deutschen Kliniklandschaft ein „Dissens in der Kammerspitze“ vermerkt. 

https://www.aerztezeitung.de/Politik/Dissens-in-Kammer-Spitze-405585.html

Bild: Klaus Reinhardt (links) und Hans-Albert Gehle – hier im Rahmen eines legeren Sommer-Mediengesprächs – wollen für weitere vier Jahre an der Spitze der Ärztekammer Westfalen-Lippe stehen. Foto: Frank Biermann

„We are family“

Die VG BildKunst scheut Kosten für Hybridversammlungen , was mehr Geld für Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder keineswegs ausschließt

Auf der Mitgliederversammlung der VG Bild-Kunst in Bonn fanden Ende Juli 2022 die alle drei Jahre anstehenden Vorstandswahlen statt. 

8. AUGUST 2022 VON FRANK BIERMANN

Aus der Berufsgruppe 1 (Bildende Künstler) wurde Marcel Noack in den siebenköpfigen Vorstand gewählt, Frank Michael Zeidler zum Berufsgruppenvorsitzenden. Die Berufsgruppe III (Regisseure, Kameraleute, Editor, Filmarchitekten/ Szenenbildner, Kostümbildner, Trickfilmzeichner und Produzenten) wird weiter durch Jobst Oetzmann im Vorstand vertreten, der sich klar gegen Cay Wesnigk durchsetzte, Vorsitzender für die nächsten drei Jahre ist Michael Chauvistré.

Für die mit 57,8 Prozent der Mitglieder weitaus größte Berufsgruppe II (Fotografen, Bildjournalisten, Grafiker, Illustratoren, Designer, Karikaturisten, Pressezeichner, Bildagenturen) sitzt Lutz Fischmann (Freelens) im Vorstand. Bei der Wahl zum Berufsfachgruppenvorsitzenden hatte sich Roland Geisheimer (ebenfalls Freelens) durchsetzen können. Benno Pöppelmann vom DJV hatte dazu jedoch angemerkt, dass es lange Zeit so praktiziert wurde, dass ehrenamtlicher Vorstand und Berufsgruppenvorsitzende nicht demselben Verband angehören. Dies ist inzwischen auch in der Berufsgruppe III (Film) nicht mehr der Fall. 

Auf Vorschlag des Verwaltungsrats wurde auf der Versammlung eine neue „Richtlinie Vergütung Ehrenamt“ verabschiedet. Die monatliche Aufwandsentschädigung der Vorstände wurden von bislang 625 Euro auf 730 Euro angehoben, die Sitzungsgelder für die Verwaltungsräte und neuerdings auch deren Stellvertreter*innen von 300 auf 350 Euro erhöht.

Die Entscheidungen über die Gremienposten waren schon am 27. April in allen  Berufsgruppen gefallen und konnten auch durch die eigentlich ja formal höher als höchstes demokratisches Organ anzusiedelnde Mitgliederversammlung nicht korrigiert werden. Pappi schreibt dazu in seinen Erläuterungen zur Tagesordnung: „Die Wahlen verlaufen (in diesem Wahljahr) in zwei Stufen. Zunächst werden in den Berufsgruppenversammmlungen die Kandidat*innen gewählt. – dies hat bereits am 27. April stattgefunden“. Was Pappi nicht schreibt: Eigentlich wurden die Personalentscheidungen am Vorabend also am 26. April getroffen, wenn in trauter aber keineswegs immer freundlicher Runde die ehrenamtlichen Funktionär*innen im Hotel Hilton am Rheinufer zusammenkommen, die die (warum auch immer, auch das wird im Vorfeld nicht demokratisch geklärt) Stimmpakete der Verbände verteilen dürfen. Diese Stimmpakte ergeben sich dadurch, dass die Mitglieder im Vorfeld ihren Berufsverbänden diese übertragen haben – oder eben nicht. Das geht von 1417 Stimmen für  Freelens  über 810 Stimmen für den wesentlich größeren DJV hin zu 441 Stimmen für den Deutschen Künstlerbund und 432 Stimmen für die verdi Fachgruppe Journalismus, die – anders als Freelens – nicht besonders gut darin ist, ihre Mitglieder zu einer Stimmrechtsübertragung zu bewegen. 

Wie dieser Kreis sich  die ausguckt, die die wichtigen und mit Aufwandsentschädigungen verbundenen Posten bekleiden, welche Kriterien dabei eine Rolle spielen, entzieht sich jeder demokratischen Kontrolle.  „We are family“. Und was in der Familie besprochen wird, bleibt in der Familie. Die wenigen einfachen Mitgliedern, die dann glauben mit ihrer Einzelstimme etwas ausrichten zu können, stellen im Laufe des Wahlprocederes fest: Jede Wahl wird durch die Stimmblöcke in die gewünschte Richtung gelenkt. Eine Art gelenkte Demokratie also. Das erzeugt Frust bei den unorganisierten Teilnehmern, die ihre teure Fahrkarte selber zahlen müssen.  Diese kommen  oft gleich zwei Mal zu einer solchen Versammlung. Zum ersten und zum letzten Mal.

Resultat der Geschichte: Bei diesen drei Versammlungen waren ausweislich der Teilnehmerlisten gerade einmal 62 von 67.475 Mitgliedern, also nicht einmal 1 Prozent persönlich anwesend. Diese verfügten allerdings durch die bei der VG Bild-Kunst praktizierten Stimmrechtsübertragungen über 11.245 gültig übertragene Stimmen, so dass sich knapp ein Sechstel der Mitglieder in diesen Entscheidungen wiederfinden könnten. Schwer nachvollziehbar, wie der promovierte Jurist Urban Pappi da „kein Defizit Repräsentativität“ erkennen kann, wohl wissend, dass da allenfalls noch eine sehr dünne demokratische Legitimation gegeben ist.

Noch weniger gibt es dann bei den eigentlichen Mitgliederversammlungen der VG BildKunst zu entscheiden, die reine „Abnickveranstaltungen“ sind, bei denen sich nicht mal die Kandidat*innen, die für ihre Berufsgruppe in den Vorstand wollen oder den Berufsgruppenvorsitz übernehmen wollen, kurz vorstellen. Das hat jedenfalls mit dem was man in Parteien und Sportvereinen unter einer lebendigen Jahreshauptversammlung versteht, nichts zu tun. Pappi erklärt dazu dies: „Bitte wundern Sie sich nicht, dass in der Mitgliederversammlung nur noch über einen festen Kreis an Bewerber*innen abgestimmt werden kann.“ Da wird die nur vorab mögliche und nicht parallel zur Versammlung mögliche elektronische Stimmabgabe zum demokratischen Hemmschuh. 

Demokratischer könnte es bei der VG BildKunst zugehen, wenn diese Veranstaltungen als Hybrid-Veranstaltung durchgeführt würden, wie das zum Beispiel die VG Wort praktiziert oder die taz Genossenschaftsversammlung, eine Versammlung, die per se auch nicht gerade im Geld schwimmt. Solche Vorschläge prallen an dem geschäftsführenden Vorstand Urban Pappi (Bild: Frank Biermann) ab. Im Sondernewsletter August 2022, also nach den Wahlen, schreibt er: „An die Geschäftsstelle wurde in letzter Zeit vermehrt die Frage gestellt, warum die Bild-Kunst keine hybriden Mitgliederversammlungen durchführt. Die kurze Antwort: Als kleine Gesellschaft müssen wir auf die Kosten schauen!“ Pappi und den anderen engagierten Menschen die haupt- und ehrenamtlich Verantwortung tragen möchte man ein klares „Mehr Demokratie wagen“ zurufen, sonst könnte schnell der Eindruck von Hinterzimmerpolitik, Pöstchenschieberei und Klüngel aufkommen. Und die Vermutung, dass die Demokratie gar nicht gewünscht ist, weil alle bisher Beteiligten mit der Oligarchie ganz gut gefahren sind. . 

P.S. Transparenzhinweis: Der Verfasser hat für drei Jahre dem inzwischen nicht mehr existenten Vergabeausschuß der Stiftung Sozialwerk in der Berufsgruppe 2 angehört. Er ist Mitglied der verdi Fachgruppe Journalismus. Im Wahljahr 2002 stand er bei der VG BildKunst für nichts zur Wahl.

Anmerkungen zu Rums I

Da ich in meinem Tagebuch für epd medien über Rums nicht alle Informationen unterbringen konnte, die ich gesammelt habe, werde ich diese nach und nach hier veröffentlichen: Die Quelle dafür ist im wesentlichen der Handelsregisterauszug HRB 18563 und dort die Liste der Gesellschafter der RUMS-Medien GmbH mit Sitz in Münster, die beim Amtsgericht Münster, Abteilung Registersachen hinterlegt ist. Gegen Zahlung einer Gebühr kann man ihn dort einsehen.

Bild: @Biermann2020


Zumindest ein Teil der zehn Rums-Gesellschafter scheint von der Zukunft von Rums überzeugt zu sein. Jedenfalls wurde das anfängliche Stammkapital von 75.000 Euro (Stand 3.4.2020) in zwei Schritten aufgestockt, am 7. August auf 105.000 Euro und am am 21. September noch mal auf 112.500 Euro. Das Kapital wurde nachgeschossen von der Trafo Invest GmbH mit Sitz in Berlin-Charlottenburg. Dahinter steckt u.a. Sebastian Turner, früher Herausgeber der Berliner Tagesspiegels und Aufsichtsrat der Dieter von Holtzbrink Medien (7.500 Euro), der damit einen Gesamtanteil von 11,12 % am Unternehmen hat, weitere 5.000 Euro kamen vom gebürtigen Münsteraner Benjamin Kirchhoff, der inzwischen in Hamburg lebt und in einer Reederei arbeitet und bei der Frage nach seinem ja nicht ganz risikolosen finanziellen Engagement mit „Münster halt“ antwortet, evtl. Renditeerwartungen würde er nachrangig sehen, sowie von Mark Gieseke, Unternehmer aus Münster mit Hauptfirmensitz in Rheine, der sein Geld solide mit Straßen- und Asphaltbau verdient und sich auf Nachfrage nicht zu seinem Engagement äußerte.  Auch dabei mit 10.000 Euro ist ein ehemaliger Piraten-Ratsherr aus Münster, Johannes Schmanck, zeitweiliger Hobbygastronom und IT-Berater, der mit im Boot ist, weil er vom Journalisten Ralf Heimann überzeugt ist . Größter Anteilseigner ist und bleibt aber nach wie vor der Finanzberater Götz Grommek mit 31,2 %, der auch geschäftsführender Gesellschafter ist.

Der Angeklagte zeigt keine Reue

Mammut-Mißbrauchsprozeß am Landgericht Münster eröffnet

Bild: Schauspieler Mark Bellinghaus und Mitstreiterin protestiert heute vor dem Landgericht. Foto: Frank Biermann

Gerichtszeichner Gianluca Scigliano wirkte ziemlich konsterniert, als er am Donnerstag den Saal 23 des Landgerichts Münster verließ. Da war gerade der Mammutprozeß gegen den 27 jährigen Adrian V. und vier weitere Angeklagte wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eröffnet worden. Zu den Angeklagten gehört auch die Mutter des Hauptangeklagten aus Münster. Das Hauptopfer, der Ziehsohn von Adrian V. ist ein inzwischen elfjähriger Junge, der unentwegt und fortgesetzt sexuell mißbraucht, gefilmt und anderen Pädokriminellen überlassen wurde.
Angesichts der Schwere, um nicht zu sagen: Monstrosität der Vorwürfe hatte Gianluca Scigliano eine sehr ernste, beklemmende Athmosphäre im Gerichtssaal erwartet, berichtet er dem WDR, der Hauptangeklagte habe sich sehr locker und gelassen präsentiert, provokant, teilweise sogar gelacht oder zumindest lächelnd an das Corona bedingt nur spärlich besetzte Publikum geschaut. „Er wirkte zu Scherzen aufgelegt, keineswegs eingeschüchtert.“ Und habe keine Spur von Reue gezeigt. Warum zitieren wir hier den Gerichtszeichner, um aus zweiter Hand über den Prozeß zu berichten? Nicht alle Medienvertreter die vom Prozeß berichten wollten, bekamen einen Zugang in den Saal, der einem kontingentierten Medienpool vorbehalten blieb. Auch die MVZ nicht. Das fiel in dem Fall nicht so sehr ins Gewicht, weil der 1. Prozeßtag weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand. Auf Antrag der Verteidigerin des Jungen wurde die Öffentlichkeit bei der Verlesung der Anklage ausgeschlossen.

„Er wirkte zu Scherzen aufgelegt, keineswegs eingeschüchtert.“

Gerichtszeichner Gianluca Scigliano


Die Anklageschrift habe etwa 25 Seiten umfasst berichtet der Gerichtssprechen Dr. Steffen Vahlhaus. „Den vier Männern wird vorgeworfen sich in Münster in einer Gartenlaube verabredet zu haben und sich dort getroffen haben und verabredet haben und zwar mit dem alleinigen Ziel den 10 jährigen Sohn der Lebensgefährtin des Münsteraner Angeklagten und den fünfjährigen Sohn des Mannes aus Staufenberg schwerst sexuell zu mißbrauchen. Und während dieser drei Tage soll es dann über mehrere Stunden in kurzer zeitlicher Abfolge zu mehreren schweren Mißbrachshandlungen gekommen sein“. Der 10- jährige soll dabei mehrfach mit k.o.-Tropfen betäubt worden zu sein, um wehrlos die Vergewaltigungen zu ertragen. Vahlhaus weiter zu den Inhalten der Anklage: „Die Anklage stützt sich maßgeblich auf die Auswertung von Datenträgern, in der Gartenlaube soll eine Festplatte gefunden worden sein auf der sich Videomaterial befunden haben soll, mit mehr als 30 Stunden Material. Die Männer sollen ihre Taten tatsächlich gefilmt haben.“
Am Freitag um 9 Uhr wird der Prozeß fortgesetzt, insgesamt sind 30 Termine bis in den Februar nächsten Jahres angesetzt. Die Taten haben sich überwiegend in der behäbig-bürgerlichen Fassade einer inzwischen abgerissenen Gartenlaube in der Kleingartenanlage „Am Bergbusch“ in Kinderhaus abgespielt. Vor dem Landgericht hatte der Schauspieler Mark Bellinghaus mit Plakaten protestiert, in denen die Höchststrafe für Adrian V. und die anderen Angeklagten gefordert wurde. Im Zusammenhang mit diesem Prozeß laufen noch weitere Prozesse wegen schweren sexuellen Mißbrauchs vor dem Landgericht Münster. (fb)
Weitere Berichte zum Thema finden Sie u.a. bei facebook und hier.

Free Wifi gibt es bei ihm nicht

Yannis ist eine Institution in Kalamaki.

Er gehört sicher zu den Originalen von Kalamaki, einem kleinen Dorf ganz im Süden Kretas: Yannis. Vor 14 Tagen liefen wir uns zufällig über den Weg und haben uns doch irgendwie wiedererkannt. Und das nach 18 Jahren, solange bin ich nicht mehr da gewesen, in Kalamaki, das reich an Bauruinen ist und meist unvermieteten Luxusapartments und gesegnet ist mit Bewohnern, die freundlich, zuvorkommend und den Menschen zugewandt sind.

Yannis. Aufmerksam wie imnmer sah er meinen Vitaminnotstand.

Und die über die Jahre krisenfest geworden sind. Yannis betreibt schon seit Jahrzehnten sein kleines Lokal, „Yannis typische griechische Küche“ so steht es auf einem schon etwas verwitterten blauen Schild für seine deutschen Gäste. Inzwischen liegt sein Lokal mit den blauen Holzstühlen in der 2ten Reihe. Viel hat sich geändert seitdem – er ist sich und seiner Art sein Lokal zu betreiben, treu geblieben. Bei ihm gab es keine Karte, nur Fisch oder Fleisch, und was es am Ende kostete, blieb unerfindlich, aber immer konsumentenfreundlich. Er ist zwar immer noch regelmäßig im Schatten der groben Häuser anzutreffen, regulär aufgemacht hat er nicht in diesem für alle schwierigen Corona-Jahr, auch wenn sich immer wieder einheimische Männer an seinem Lokal treffen zum Kartenspielen. Aber nächstes Jahr, da ist er optimistisch, will er sein Lokal wieder aufmachen – was sicher viele Menschen freuen würde. Unausgesprochen steht hinter der Ansage ein kleines Fragezeichen! Wie das ja im Moment bei vielen Menschen auf Kreta, die vom Tourismus leben, der Fall ist. Davon ganz ab gehe es ihm gut, versichert er. Nur Service und Kochen alleine gleichzeitig zu stemmen, das wäre wohl etwas viel in seinem Alter. Er hat übrigens auch mal ein Kochbuch herausgegeben, was er über sein Lokal vertrieb. 

Krisenhelfer für Künstler

Einblicke in die »Corona-Kultur-Sprechstunde« in Nordrhein-Westfalen. Betroffene werden telefonisch beraten.

Harald Redmer ist Münsteraner Schauspieler – und eigentlich gerade in Rente gegangen. Nach sieben Jahren als Geschäftsführer des NRW-Landesbüros »Freie darstellende Künste« in Dortmund. Bekanntlich lässt sich das Leben nicht immer planen. Mit Füße hochlegen war nichts, jetzt ist er so eine Art »Doktor Corona« für Soloselbständige aus Kunst und Kultur.

Harald Redmer, Bild: Biermann ©

Seit gut drei Monaten führt Redmer im Auftrag des Kulturrats NRW eine sogenannte Corona-Kultur-Sprechstunde durch. Bis September 2020 bietet er zu festen Zeiten eine individuelle telefonische Beratung für Kulturschaffende im bevölkerungsreichsten Bundesland an und berät in Fragen der finanziellen Soforthilfeprogramme für Selbständige. Das wird Angestellten und Beamten wenig sagen, den vielen Selbständigen im Kulturbereich sehr viel, denn sie sind in hohem Maße auf diese staatlichen Hilfen angewiesen: Musiker können während der Pandemie keine Konzerte machen, Schauspieler nicht mehr im Theater auftreten, ihre Einkommen gehen gegen null, Verzweiflung und existentielle Nöte machen sich breit. Um so wertvoller empfinden es viele Betroffene, wenn sie die Handynummer von Harald Redmer haben oder seine E-Mail-Adresse (CoronaKulturrat@web.de). Viele Ratsuchende schätzen seine ruhige Art, die er sich auch nach mehr als 500 Telefonaten bewahrt hat, seine knappen präzisen Informationen, die er über einen Verteiler per E-Mail verschickt.

Abgesehen von allen technischen Details geht es oft erst einmal darum, den Blutdruck runterzufahren, und die Nerven zu beruhigen, die angespannt sind, weil viele nicht durchblicken, was denn zu tun ist mit den teils sogar recht üppig sprudelnden Mitteln des Landes NRW. Viele Künstler sehen sich eben nur als Künstler und nicht als betriebswirtschaftliche Kategorie. Deswegen konnten viele (etwa 52.000 genehmigte Anträge gab es allein im Bereich der Bezirksregierung Münster) auch mit der vom Gesetzgeber vorgenommenen Trennung bei den Zuwendungen nichts anfangen. Das Geld, das da auf dem Konto lag, darf nämlich nur für betriebliche Ausgaben verwendet werden, nicht aber für den privaten Lebensunterhalt. Das allerdings entspricht so gar nicht der Lebensrealität vieler Künstler. »Und die meistgestellte Frage ist dann die: ›Jetzt habe ich die 9.000 Euro, was mache ich damit?‹ Viele wollten gar nicht so viel Geld haben. ›Das macht mir Angst. So viel Geld hatte ich noch nie auf dem Konto.‹ Das gab es auch«, erzählt Redmer.

Zwar kann er die Richtlinien auch nicht ändern, aber Tips geben, wie man die Zuschüsse ganz legal soweit wie möglich nutzt. Und nach der Phase der Beantragung und der Auszahlung wurde die nächste eingeleitet, zuviel gezahlte Gelder sollten die Geförderten zurückzahlen. Auf »reiner Vertrauensbasis«, wie Redmer betont. Kontrollen gab es nur stichprobenartig. Nun ist diese Praxis aber gestoppt worden, niemand muss bis auf weiteres einen ausgefüllten Abrechnungsbogen an die Behörde zurückschicken.

»Ich muss mit einem generellen Missverständnis aufräumen«, erklärt Redmer, »die Gelder gibt das Land nicht aus, um die Kultur oder die Künstler zu fördern, die dienen eben nur dazu, Liquiditätsengpässe, die durch die Coronapandemie plötzlich und unerwartet entstanden sind, zu beheben.« Er ist Realist genug, um zu wissen, dass er nicht jede künstlerische Existenz retten kann. Wie auch, wenn Veranstalter schon bis Mitte 2021 alle Konzerte stornieren, weil sie Angst davor haben, dass sie Ausfallhonorare zahlen müssen.

Redmer weiß natürlich auch ganz genau, was seiner Klientel am meisten zu schaffen macht. »Es ist einfach die fehlende Perspektive. Keiner kann sagen, ob und wann es wieder ›normal‹ wird, wie lange man noch in diesem Ausnahmezustand ausharren muss, improvisieren und von Rücklagen leben muss. Gerade das ist es, was alle so verzweifeln lässt und fertig macht. Ich merke ja in der Beratung, dass es Leute gibt, denen es richtig schlecht geht.«

Deswegen sei es ja so wichtig, dass es überhaupt Ansprechpartner gibt, die die Szene kennen oder selber aus ihr kommen, zudem angebunden sind an den Kulturrat NRW mit Drähten in das Landeswirtschaftsministerium hinein. Natürlich müssen auch Berater wie er beraten werden, und da ist er »bis jetzt sehr zufrieden mit der hohen Beratungsintensität durch das Ministerium. Ich habe zwei, drei Ansprechpartner, die ich selber jederzeit anrufen kann.«

Redmer ärgert sich über die vielen Desinformationen, die zur Soforthilfe durch die sogenannten sozialen Medien gingen: »Was da alles zum Thema Subventionsbetrug verbreitet worden ist, deckt sich nicht mit meinen Erfahrungen.« Das habe leider dazu geführt, dass viele Selbständige, die einen Anspruch auf die Leistungen haben, diese gar nicht erst beantragt hätten. Die Beratung durch Steuerberater sei da keineswegs immer optimal gelaufen.

Die eigene Beratungsbilanz sieht Redmer trotz oder gerade wegen der misslichen Lage positiv. »Wir sind schon relativ weit vorne in dem, was wir machen in NRW mit den Sprechstunden.« Vielleicht sogar bundesweit einmalig.

Dieser Artikel erschien in der Tageszeitung junge welt, Ausgabe vom 30.7.2020, Nr. 176.